Autismus

Asperger, frühkindlicher, atypischer oder doch einfach nur die Autismus-Spektrum-Störung?

Die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) wird in dem Klassifikationsmanual ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als tiefgreifende Entwicklungsstörung beschrieben. In der ICD-10 wurde noch eine Klassifikation unterschiedlicher Autismus-Formen vorgenommen. So gab/gibt es den frühkindlichen Autismus, das Aspeger-Syndrom und den atypischen Autismus (BfArM, 2023; Schnell, 2016). In der aktuellen Version des Klassifikationssystems, der ICD-11 wird diese Unterteilung in unterschiedliche Autismus-Formen nicht mehr vorgenommen. Dort werden alle Autismus-Formen zu dem Begriff Autismus-Spektrum-Störung zusammengefasst (ICD-11, 2023; Schnell, 2016).

Dies geschah vor allem, weil eine valide Abgrenzung der einzelnen Formen von Autismus schwierig war und somit eine Perspektive der Dimensionalität geschaffen wurde (Vogeley, 2015; Ehret & Berking, 2013). 

Da die neue Version des Klassifikationssystems, der ICD-11, jedoch noch nicht final verabschiedet ist, besteht aktuell noch die Freiheit die Diagnostik und Klassifikation auch nach der ICD-10 durchzuführen. Es wäre somit möglich sowohl Diagnosen für das Asperger-Syndrom, den frühkindlichen Autismus, den atypischen Autismus, als auch allgemein für die Autismus-Spektrum-Störung zu stellen.

Wir orientieren uns in der Klassifikation an der ICD-11 und äußern Verdachtsdiagnosen für die Autismus-Spektrum-Störung.

Was ist Autismus?

Die ASS kann sich in vielen unterschiedlichen Erlebens- und Verhaltensweisen zeigen. Die Kernkriterien der Klassifikation und Diagnosestellung bei einer ASS sind hingegen klar eingrenzt. Zu diesen zählen, die Störungen in der Interaktion, Störungen der Kommunikation sowie repetitive und stereotype Verhaltensweisen (BfArM, 2023; BfArM, o. D.).

Symptome - Wie zeigt sich Autismus?

Das erste Kriterium umfasst das Bestehen anhaltender Defizite bei der Initiierung und Aufrechterhaltung sozialer Kommunikation und wechselseitiger sozialer Interaktionen, die bei Berücksichtigung des Alters und dem Niveau der intellektuellen Entwicklung der Person, außerhalb des erwarteten Bereichs des typischen Funktionierens liegen (ICD-11, 2023).

Spezifische Manifestationen dieser Defizite variieren je nach Alter, verbalen und intellektuellen Fähigkeiten sowie dem Schweregrad der Störung.

Symptome, die sich in diesem Kontext in Form von Einschränkungen manifestieren können, sind:

  • Verständnis, Interesse, angemessene Reaktionen auf die verbale oder nonverbale soziale Kommunikation anderer sind eingeschränkt (ICD-11, 2023).
  • Integration der gesprochenen Sprache mit typischen komplementären nonverbalen Hinweisen wie Augenkontakt, Gestik, Mimik und Körpersprache sind eingeschränkt oder in der Häufigkeit und Intensität reduziert (ICD-11, 2023).
  • Einschränkungen beim Verstehen und Gebrauch von Sprache in sozialen Kontexten und in der Fähigkeit soziale Gespräche zu initiieren und aufrechtzuerhalten (ICD-11, 2023).
  • Defizite im sozialen Bewusstsein, welches zu einem Verhalten führt, das dem sozialen Kontext nicht adäquat angepasst ist (ICD-11, 2023).
  • Fähigkeit, sich die Gefühle, emotionalen Zustände und Einstellungen anderer vorzustellen und darauf zu reagieren, sind eingeschränkt (ICD-11, 2023).
  • Gegenseitiges Teilen von Interessen ist eingeschränkt (ICD-11, 2023).
  • Beeinträchtigungen in der Fähigkeit, typische Beziehungen mit Gleichaltrigen aufzubauen und aufrechtzuerhalten (ICD-11, 2023).

Das zweite Kriterium beinhaltet anhaltend eingeschränkte Verhaltensmuster, Interessen oder Aktivitäten, die sich wiederholen und unflexibel sind. Diese können für das Alter und den soziokulturellen Kontext der Person untypisch oder übertrieben erscheinen (ICD-11, 2023).

Zu den Symptomen dieses Kriteriums gehören folgende Einschränkungen:

  • Mangelnde Anpassungsfähigkeit an neue Erfahrungen und Umstände mit damit verbundenem Leid, das durch triviale Veränderungen einer vertrauten Umgebung oder als Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse hervorgerufen werden kann (ICD-11, 2023). 
  • Unflexibles Festhalten an bestimmten Routinen; diese können beispielsweise geografisch sein, wie z. B. das Folgen vertrauter Routen, oder ein genaues Timing erfordern, z. B. Essenszeiten oder Transport (ICD-11, 2023).
  • Übermäßige Einhaltung von Regeln (ICD-11, 2023).
  • Exzessive und hartnäckige ritualisierte Verhaltensmuster (z. B. Beschäftigung mit dem Anordnen oder Sortieren von Objekten auf eine bestimmte Art und Weise), die keinem offensichtlichen externen Zweck dienen (ICD-11, 2023).
  • Wiederholte und stereotype motorische Bewegungen, wie Ganzkörperbewegungen (z. B. Schaukeln), atypische Gangart (z. B. Gehen auf Zehenspitzen), ungewöhnliche Hand- oder Fingerbewegungen und Haltungen. Diese Verhaltensweisen treten besonders häufig in der frühen Kindheit auf (ICD-11, 2023).
  • Anhaltende Beschäftigung mit einem oder mehreren besonderen Interessen, Teilen von Objekten oder bestimmten Arten von Reizen (einschließlich Medien) oder eine ungewöhnlich starke Bindung an bestimmte Objekte (ICD-11, 2023).
  • Lebenslange übermäßige und anhaltende Überempfindlichkeit oder Unterempfindlichkeit gegenüber Sinnesreizen oder ungewöhnliches Interesse an einem Sinnesreiz, der tatsächliche oder erwartete Geräusche, Licht, Texturen (insbesondere Kleidung und Lebensmittel), Gerüche und Geschmäcker, sowie Hitze, Kälte oder Schmerz umfassen kann (ICD-11, 2023).

Kognitive Kompensation

Die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) geht häufig mit Defiziten in der intellektuellen Leistungsfähigkeit einher. Menschen mit ASS, die hochfunktional sind und somit nicht von Einschränkungen in der intellektuellen Leistungsfähigkeit betroffen sind, können durch kognitive Kompensationen bestehende Defizite der sozialen Interaktion und Kommunikation teilweise auszugleichen (Schnell, 2016). Die Symptome sind je nach Schweregrad der Störung gleich stark ausgeprägt. Betroffene Menschen, die jedoch keine Einschränkungen in den intellektuellen Fähigkeiten aufweisen oder sogar (hoch/höchst-)begabt sind, können diese Symptome ausgleichen, indem sie die Regeln und Normen hinter den Konstrukten der sozialen Interaktion und Kommunikation bewusst erlernen (Livingston et al., 2020).

Dies kann dazu führen, dass ein hochangepasstes Leben stattfindet, in dem die Besonderheiten im Erleben für die Außenwelt nicht direkt sichtbar werden. Die Fähigkeit mental zu kompensieren, kann dabei dazu führen, dass die autistischen Personen nicht als solche erkannt werden. Dies führt nicht selten dazu, dass betroffene Menschen erst im Erwachsenenalter nach Unterstützung suchen und erst dann eine (Verdachts-)Diagnose erhalten.

Quellen

  • BfArM. (o. D.). ICD-11 in Deutsch - Entwurfsfassung. BFARMWEB. https://www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme/Klassifikationen/ICD/ICD-11/uebersetzung/_node.html
  • BfArM. (2023). ICD-10-GM 2024 systmatisches Verzeichnis. Abgerufen am 1. April 2024, von https://klassifikationen.bfarm.de/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2024/index.htm
  • Ehret, A. M. & Berking, M. (2013). DSM-IV und DSM-5: Was hat sich tatsächlich verändert? Verhaltenstherapie, 23(4), 258–266. https://doi.org/10.1159/000356537
  • ICD-11. (2023, Januar). ICD-11 For Mortality And Morbidity Statistics. Abgerufen am 8. März 2024, von https://icd.who.int/browse11/l-m/en#/http://id.who.int/icd/entity/437815624
  • Livingston, L. A., Shah, P., Milner, V. & Happé, F. (2020). Quantifying compensatory strategies in adults with and without diagnosed autism. Molecular Autism, 11(1). https://doi.org/10.1186/s13229-019-0308-y
  • Schnell, T. (2016). Praxisbuch: Moderne Psychotherapie. In Springer eBooks. https://doi.org/10.1007/978-3-662-50315-7
  • Vogeley, K. (2015). Zur Sichtbarkeit von Autismus-Spektrum-Störungen im Erwachsenenalter im DSM-5. Die Psych iatrie, 12(2), 94–100.

Abgrenzung zur Psychotherapie und Medizin (Verdachtsdiagnostik)

Bei den klinischen Störungsbildern von ADHS und der Autismus-Spektrum-Störung dürfen in Deutschland nur approbierte psychologische Psychotherapeuten und Ärzte gesicherte Diagnosen stellen. Durch das abgeschlossene Bachelor- und Masterstudium in Psychologie sind wir jedoch dazu berechtigt eine Verdachts-Diagnose zu stellen und entsprechende Gutachten anzufertigen. Eine Intelligenz-Testung und Diagnostik mit entsprechendem Gutachten können hingegen uneingeschränkt erfolgen.

Welche Vorteile bietet eine Verdachtsdiagnose?

 Fachliche Meinung für die Überprüfung des eigenen Verdachts
Die Verdachts-Diagnose kann ein erster großer Schritt sein, den eigenen Verdacht, von ADHS und/oder Autismus betroffen zu sein, fachlich und kompetent untersuchen zu lassen. Als Fachleute aus dem Bereich der Psychologie sind wir mit der Durchführung, Auswertung und Interpretation testpsychologischer Verfahren gut vertraut und können Ihnen so eine wissenschaftlich gut fundierte Rückmeldung dazu geben, ob Ihr Verdacht zutrifft, oder nicht.

Kurze Wartezeiten
Durch eine höhere mediale Präsenz der Phänomene ADHS und Autismus ist die Nachfrage für die Diagnostik dieser Störungsbilder gestiegen. Im gesamten deutschsprachigen Raum und vor allem auch im Norden von Deutschland ist das Fachpersonal, dass sich auf genau diese Störungsbilder spezialisiert hat, sehr rar. Betroffene, die sich untersuchen lassen möchten, sind aufgrund der steigenden Nachfrage und des sehr kleinen Angebots häufig mit Wartezeiten in Höhe von 12-24+ Monaten konfrontiert. Gern möchten Ihr Ihnen deshalb die Möglichkeit bieten diese lange Wartezeit auf die Testung für die gesicherte Diagnose zu überbrücken, indem wir Ihnen kurzfristig Termine für die Verdachtsdiagnostik anbieten möchten.

Keine Eintragung in die Krankenakte
Das Gutachten, welches wir im Rahmen der Testung und Diagnostik erstellen werden, wird von uns nicht an die Krankenkassen weitergeleitet. Sie können selbst für sich entscheiden, nach der Berücksichtigung möglicher Vor- und Nachteile, ob Sie diese Diagnose von einem Arzt, einer Ärztin oder einem psychologischen Psychotherapeuten/ Psychotherapeutin bestätigen lassen möchten und somit eine Eintragung in die Krankenakte stattfinden soll. 

Individuelle Beratungsplanung
Nach der Durchführung der Verdachtsdiagnostik können wir Ihnen eine Unterstützung anbieten, die auf den vermuteten Problemen basiert. Dies kann wichtig sein, da wir Ihnen in einer akuten Phase sofortige Hilfe anbieten können und Sie dabei unterstützen weitere wichtige Schritte einzuleiten.

Klient:Innenaufklärung
Die Verdachtsdiagnose kann Ihnen und Ihrem Umfeld helfen, besser zu verstehen, das möglicherweise vor sich geht. Dies kann dazu führen, dass bestimmte Ängste gemindert werden und Sie dazu ermutigt werden, aktiv an weiteren Behandlungsmaßnahmen teilzunehmen.

Prävention
Die Durchführung der Verdachtsdiagnostik kann in einigen Fällen dazu beitragen, präventive Maßnahmen zu ergreifen, bevor sich ein Zustand verschlimmert. Dies können zum Beispiel eine Veränderung im Lebensstil oder den Stressbewältigungsstrategien sein, um die Entstehung und Entwicklung einer ernsthaften psychischen Störung zu verhindern.

Verbesserte Kommunikation
Die Verdachtsdiagnose kann als Kommunikationsbasis zwischen verschiedenen Gesundheitsdienstleistern dienen. Wenn wir Sie beispielsweise an andere Fachleute vermitteln, bietet die Verdachtsdiagnose eine Grundlage für die weitere Behandlung.

Motivation zur Behandlung:
Die Verdachtsdiagnose hilft oftmals, dass die Klientinnen und Klienten, den ersten Schritt zur Behandlung machen. Das neue Bewusstsein, dass möglicherweise eine psychische Störung vorliegt, kann den Klienten oder die Klientin dazu bewegen, sich einer Therapie zu unterziehen.

Kombination mehrerer (Verdachts-)Diagnostiken

Da es zwischen den drei Phänomenen ADHS, Autismus und Hoch-/Höchstbegabung einige Überschneidungen gibt ist es bei der Abklärung der einzelnen Diagnostiken sinnvoll differenzialdiagnostisch abzuklären, ob die festgestellten Besonderheiten nicht doch auf ein anderes Phänomen zurückzuführen sind.

Ein klassisches Beispiel kann in diesem Kontext der Smalltalk sein. Dieser wird gern von autistischen Personen, als auch hoch-/höchstbegabten Personen aus unterschiedlichen Beweggründen gemieden. Beide zeigen also ein ähnliches Verhalten (das Vermeiden von Smalltalk), obwohl die inneren Prozesse unterschiedlich sind. Während eine autistische Person eventuell den Smalltalk meidet, weil sie kein Interesse daran hat oder das Gegenüber und die soziale Situation möglicherweise nicht adäquat einschätzen kann, meidet eine hoch-/höchstbegabte Person vermutlich den Smalltalk, weil sie die Gesprächsstrukturen als zu oberflächlich und belanglos empfindet.

Die Uneindeutigkeit der inneren Prozesse, die hinter besonderen Verhaltensweisen stehen, machen es sinnvoll diagnostisch ebenfalls weitere Phänomene abzuklären.

So findet bei uns eine Autismus-Diagnostik immer in Kombination mit einer ADHS-Diagnostik und einem Intelligenzscreening statt. Wahlweise kann das Intelligenzscreening durch eine ausführliche Intelligenzdiagnostik ersetzt werden.

Die ADHS-Diagnostik kann ohne eine Autismus-Diagnostik jedoch mit einem Intelligenz-Screening erfolgen. Dieses Intelligenzscreening kann ebenfalls durch eine ausführliche Intelligenzdiagnostik ersetzt werden. Sollten Sie sich nach der ADHS-Diagnostik dazu entscheiden noch eine Autismus-Diagnostik durchzuführen, werden wir Ihnen gern einen geringeren Preis für die Autismus-Diagnostik berechnen.

Die ausführliche Intelligenzdiagnostik kann ohne ADHS- und Autismus-Diagnostik erfolgen, kann jedoch auch wahlweise um beide ergänzt werden.

Logo

© Urheberrecht. Alle Rechte vorbehalten.

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.